Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung Niederösterreich Südböhmen Přeshraniční poskytování zdravotní péče Dolní Rakousko Jihočeský kraj Cross-border Health Care Lower Austria South Bohemia Report II. Machbarkeitsstudie zur grenzüberschreitenden stationären und ambulanten Zusammenarbeit im Raum Gmünd České Velenice Studie proveditelnosti přeshraniční spolupráce v oblasti lu žkové a ambulantní zdravotní péce v regionu Gmünd České Velenice
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Gesundheitsmanagement OG Anzengrubergasse 5/1-3 A-1050 Vienna office@gesundheitsmanagement.at www.gesundheitsmanagement.at Created within the framework of the EU-project Leadpartner: Niederösterreichische Landeskliniken Holding Project partner: Jiho eské nemocnice, a. s. Editors: Renate Burger Martin Wieland Scientific supervision: Dipl.-Verw.Wiss. Thomas Kostera, MES., Institut d'etudes Européennes, Université Libre de Bruxelles Scientific collaboration: Mag. Renate Burger, Martin Wieland, Gesundheitsmanagement OG, Vienna www..eu Gemeinsam mehr erreichen Spole n dosáhneme vice Kofinanziert durch die Europäische Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Spolufinancováno Evropskou unií z Evropského fondu pro regionální rozvoj ISBN 978-3-9501360-0-5 All rights reserved Vienna 2010 Copyright and legal right of use for texts, graphics, design belong to Gesundheitsmanagement OG, so does the legal right for the photos. Issuing, usage and disclosure of information for not commercial reasons is enabled, as long as the content remains unchanged and the source is mentioned (Source: Gesundheitsmanagement OG Vienna, 2010). 2
Report II. Machbarkeitsstudie zur grenzüberschreitenden stationären und ambulanten Zusammenarbeit im Raum Gmünd eské Velenice 3
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Vorwort Wissenschaftliche Arbeit hört nicht an Landes- oder Staatsgrenzen auf und so spiegelt dieses Projekt den Willen wider, über die Grenzen hinaus Wissen und Kräfte zu bündeln und diese sowohl dem wissenschaftlichen Fortschritt als auch der Zusammenarbeit im Gesundheitssektor zu widmen. Das Projekt vereint alle wichtigen AkteurInnen aus dem Gesundheitsdienstleistungssektor der Grenzregion Südböhmen und Niederösterreich, um in enger Kooperation und mit Unterstützung der zentraleuropäischen, insbesondere auch der österreichischen Universitäten, die Thematik der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen wissenschaftlich aufzuarbeiten. Erste Ergebnisse des Projekts wurden 2010 im healthcross Report I, Handlungsleitfaden für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung veröffentlicht. Der nun fertiggestellte Report II mit der darin enthaltenen Machbarkeitsstudie zur Errichtung eines grenzüberschreitenden Gesundheitszentrums im Großraum Niederösterreich und Südböhmen bildet den Abschluss der dritten Projektphase, die den technischen, rechtlichen, organisatorischen und ökonomischen Rahmen für eine mögliche zukünftige Umsetzung eines gemeinsamen Gesundheitszentrums definiert. Mit setzen zwei Länder die historisch gesehen lange Tradition der nun grenzüberschreitenden Kooperation in einem europäischen Kontext fort, um gemeinsam die Wissenschaft zu fördern und den europäischen Gemeinschaftsgedanken zu stärken. Als Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung wünsche ich dem zukunftsweisenden Projekt sowie all jenen, die daran mitwirken, alles Gute und viel Erfolg für die weitere Arbeit. Dr. Beatrix Karl Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung 5
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Inhaltsverzeichnis Kurzfassung 8 1. Einleitung, Fragestellungen und Methodik 11 2. Einordnung des Projektes in den europäischen und regionalen Kontext 13 2.1 Einordnung in den europäischen Kontext 13 2.2 Einordnung in den regionalen Kontext 19 3. Vergleichbare Projekte in Europa 25 4. Zur grenzüberschreitenden stationären und ambulanten Zusammenarbeit 35 4.1 Praktische Aspekte der Kooperation 36 4.2 Juristische Aspekte der Kooperation 42 4.3 Wirtschaftlichkeit 61 5. Identifikation eines optimalen Lösungsweges und Handlungsempfehlungen 74 6. Literaturverzeichnis 86 Anhang 89 Juristisches Gutachten 91 DLA Piper, Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH, Wien Wirtschaftsgutachten 123 Yale MC Medical Consulting, Prag Grundstücksplan 217 Möglicher Standort des neuen Gesundheitszentrums / Flächenwidmungsplan Tschechischer Teil Seite 219 bis 412 7
Kurzfassung (Executive Summary) Der vorliegende Report II hat als Machbarkeitsstudie ermittelt, welche Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Niederösterreich und Südböhmen im ambulanten und stationären medizinischen Bereich realisierbar sind. Dazu wurde die geplante Kooperation (1) durch Nutzung bereits bestehender Kapazitäten sowie (2) durch Errichtung eines neuen Gesundheitszentrums in den europäischen und regionalen Kontext gesetzt. Hierfür wurde geprüft inwieweit ähnliche grenzüberschreitende Projekte in Europa auf die Region Gmünd- eské Velenice übertragbar sind und analysiert, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Kriterien zu beachten sind, um eine Kooperation erfolgreich durchzuführen. Aus dieser Analyse ergibt sich schlussendlich ein optimaler Lösungsweg, aus dem sich mehrere Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten lassen. Der vorgestellte Lösungsweg ist darauf ausgerichtet, die Leistungen der jeweiligen Gesundheitssysteme sowie ihre historisch gewachsenen Strukturen in Einklang mit den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung in der Grenzregion zu bringen. Er soll die Grundlage für eine nachhaltige grenzüberschreitende Kooperation zwischen Niederösterreich und Südböhmen bilden, indem ein gleichwertiger Zugang zu medizinischen Dienstleistungen auf beiden Seiten der Grenze ermöglicht wird. Aus der Einordnung in den europäischen und regionalen Kontext ergibt sich, dass verschiedene europäische Richtlinien als auch Urteile des Europäischen Gerichtshofes die Behandlung ausländischer EU-BürgerInnen erheblich erleichtert haben. Allerdings hinterlassen die europäischen Bestimmungen einige Lücken bei der stationären Behandlung, die theoretisch rechtlich verbindliche Abkommen zwischen den Leistungserbringern (Gesundheitszentrum oder bestehende Einrichtungen) mit den Krankenversicherungen Österreichs und Tschechiens unumgänglich für den Betrieb machen würden. Gmünd und eské Velenice sind durch eine reiche Geschichte eng verbunden. Heute zeichnet sich ein wachsender wirtschaftlicher und kultureller Austausch ab. Dies und der zunehmende Tourismus legen eine Kooperation im Gesundheitsbereich ebenfalls nahe, z.b. in Form einer raschen und wohnortnahen Notfallversorgung. Hinsichtlich der Übertragbarkeit ähnlicher Projekte lässt sich feststellen, dass informelle grenzüberschreitende Kooperationen meist Ausgangspunkt für eine weitere professionelle Zusammenarbeit im Gesundheitssektor sind. Diese folgen oft jahrelangen Entwicklungsprozessen, die ständig Veränderungen unterworfen sind. Die Entwicklungen aus ähnlichen Projekten geben Anhaltspunkte, aber es gibt kein Modell, dass sich vollständig übertragen ließe. 8
Wichtig ist jedoch eine Institutionalisierung grenzüberschreitender Kooperation, um eine Nachhaltigkeit für die beteiligten Regionen zu gewährleisten. Für die Region Gmünd- eské Velenice kommen zwei Varianten der rechtlichen Kooperation in Betracht: die eine Variante würde sich auf Einzelverträge stützen, die zweite Variante auf die Schaffung eines eigenen Rechtsinstruments, hier durch Gründung eines Europäischen Verbundes zur Territorialen Zusammenarbeit (EVTZ). Eine generelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Sozialversicherungsträgern und Gesundheitsdienstleistern durch einzelvertragliche Regelungen ist derzeit nicht möglich, da es dafür auf tschechischer Seite keine rechtliche Basis gibt: vertragliche Kooperationen sind de facto zwischen einer tschechischen und einer ausländischen Krankenkasse möglich, jedoch nicht zwischen einer tschechischen Krankenkasse und einem ausländischen Gesundheitsdienstleister. Es gibt keine juristische Basis, die tschechische Krankenkassen verpflichtet, die von PatientInnen im Ausland verursachten Behandlungskosten per Vertrag an den ausländischen Gesundheitsdienstleister zu erstatten. Die Gründung eines EVTZ ermöglicht hingegen eine strategische Zusammenarbeit auf lange Sicht und schafft eine einheitliche Arena zur Klärung praktischer Fragen. Der EVTZ ermöglicht damit die qualitative und quantitative Fortentwicklung der bestehenden Zusammenarbeit. Rechtlich ist es der Südböhmischen Krankenhaus AG sowie der Niederösterreichischen Landeskliniken Holding möglich, an einem EVTZ teilzunehmen. Die Teilnahme der Südböhmischen Krankenhaus AG ist in Tschechien von einer Genehmigung des Ministeriums für Regionalentwicklung abhängig. Die Teilnahme der Niederösterreichischen Landeskliniken Holding muss vom Land Niederösterreich genehmigt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht wurden ebenfalls zwei Varianten der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen analysiert. Die erste Variante sah die Nutzung bestehender Einrichtungen vor und die zweite Variante die Errichtung eines grenzüberschreitenden Gesundheitszentrums. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Behandlungskosten in Österreich durchschnittlich drei- bis viermal so hoch sind wie in der Tschechischen Republik und dass es bei einer Behandlung tschechischer PatientInnen aus der Region zu Mehrkosten kommen wird, welche die tschechische Krankenversicherung höchstwahrscheinlich nicht tragen wird. Variante 1 die Nutzung bestehender Kapazitäten würde theoretisch für die österreichischen und tschechischen Gesundheitseinrichtungen eine optimale Auslastung und für die regionale Bevölkerung der Region Gmünd- eské Velenice eine optimierte Versorgung ermöglichen. Jedoch ist diese Möglichkeit nicht realisierbar, wie sich aus den oben genannten rechtlichen Gründen ergibt. Variante 2 die Errichtung eines von beiden Partnern betriebenen Gesundheitszentrums erweist sich auch als nachteilig: Es ist fraglich, dass die Krankenkassen auf tschechischer Seite eine Kapazitätserhöhung im Rahmen der bereits geschlossenen inländischen Verträge 9
bezahlen, zumal die Fixkosten in den bereits bestehenden Krankenhäusern gleich blieben, aber die Patientenzahl sinken würde. Damit scheint eine beidseitige Finanzierung dieser Variante nicht realisierbar. Als optimaler Lösungsweg kann eine modulierte Variante 2 angesehen werden: Es handelt sich dabei um ein Gesundheitszentrum mit Lage an der Grenze beider Staaten. Während auf österreichischer Seite stationäre Dienstleistungen wie bisher angeboten würden, schließe sich ein ambulantes Dienstleistungszentrum an das Gebäude an, welches u.a. auf tschechischer Seite Räumlichkeiten für FachärztInnen und Ordinationen bieten würde. Ein solches ambulantes Dienstleistungszentrum ist auch für die österreichische Seite denkbar. Die Mieteinnahmen aus den Räumlichkeiten würden zur Kosteneffizienz beitragen. Gleichzeitig würde die Gesundheitsversorgung in der Mikroregion eské Velenice verbessert. Diese modulierte Variante könnte auch eine gemeinsame Rettungsleitstelle beinhalten. In Verbindung mit den rechtlichen Aspekten, könnte diese Variante der grenzüberschreitenden Leistungserbringung durch einen EVTZ mit Partnern beider Länder als Mitgliedern rechtlich organisiert werden. Es lassen sich u.a. folgende Handlungsempfehlungen ableiten, welche sich an der Notwendigkeit eines schrittweisen Vorgehens bei solch komplexen Projekten orientieren: Die Zusammenarbeit von Rettungsdiensten sollte in der Region aufgebaut werden, z.b. durch gemeinsame Schulungsmaßnahmen und Rettungsübungen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und der interkulturellen Schulung, sollten Bürger sowie Allgemein- und Fachärzte weit reichend informiert werden. In diesem Sinne sollte auch das LK Gmünd europareif gemacht werden, indem u.a. zweisprachige Beschilderungen und Modellformulare für die Pflegedokumentation entwickelt werden. Dies sollte durch gemeinsame Schulungsmaßnahmen von medizinischem Personal auf beiden Seiten der Grenze flankiert werden. Letztlich ist eine nachhaltige Institutionalisierung der Kooperation durch stabile Netzwerke wichtig. Zur Errichtung eines Gesundheitszentrums sollten Arbeitsgruppen und Task Forces geschaffen werden, welche sich mit der praktischen Umsetzung der Konzeption und des Leistungsangebots des Gesundheitszentrums mit angeschlossenem ambulanten Dienstleistungszentrum beschäftigen. Die Projektpartner sollten sich abstimmen, ob die Zusammenarbeit zukünftig in Form eines EVTZ gewünscht wird. Dafür sollte eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, welche die Aufgaben eines möglichen EVTZ erarbeitet sowie den Entwurf einer Satzung entwickelt. Schlussendlich sollte eine begleitende Studie konzipiert werden, um die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auf die Region zu ermitteln, welche auch als Grundlage zur Entscheidungsfindung beim Zukauf von Leistungen wie Labordiagnostik, Hilfs- und Heilmittel, Wäschereidienste etc. herangezogen werden kann. 10
1. Einleitung, Fragestellungen und Methodik Die vorliegende Studie knüpft an den Report I thematisch an. Während im Report I verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Gesundheitssektor zwischen Niederösterreich und Südböhmen betrachtet worden sind und Leistungskennzahlen der Region erarbeitet wurden, handelt es sich in diesem Report II um die Fokussierung auf eine bestimmte Variante der Zusammenarbeit, nämlich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im stationären und ambulanten Bereich. Ziel der Studie ist es, zu ermitteln inwieweit eine engere Kooperation hinsichtlich des medizinischen Bereichs in der Region Gmünd- eské Velenice umsetzbar ist. Dabei sind zum einen Rahmenbedingungen zu beachten, welche grundlegende Handlungsoptionen definieren, als auch wirtschaftliche und rechtliche Aspekte zu berücksichtigen, welche konkrete Anhaltspunkte zur Analyse der Machbarkeit eines solchen Projektes geben. Die Kernfragen, auf welche die Studie Antworten geben soll sind die folgenden: Inwiefern sind ähnliche Projekte auf die Region übertragbar? Welche Vor- und Nachteile haben verschiedene Lösungswege? Ist das Projekt wirtschaftlich und rechtlich umsetzbar? Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Zukunft ableiten? Um auf diese Fragen Antworten zu geben, gliedert sich die Struktur der vorliegenden Studie in drei aufeinander folgende Kapitel. Das hieran anschließende Kapitel 2 widmet sich den europäischen und regionalen Rahmenbedingungen und verortet das Projekt innerhalb dieses europäischen und regionalen Rahmens. Konkret wird betrachtet, wie sich die europäischen Regeln hinsichtlich der Behandlung von ausländischen PatientInnen entwickelt haben und inwieweit die europäischen Regeln grundsätzlich für die Zusammenarbeit zwischen Niederösterreich und Südböhmen nutzbar sind. Da eine Richtlinie zur Garantie von Patientenrechten noch nicht verabschiedet worden ist bzw. erst auf den Verabschiedungsweg gebracht worden ist, hat das Projekt einen aktuellen europäischen Bezug und nimmt eine Vorreiterrolle ein. Weiters wird der regionale Kontext betrachtet, da es sich hier um einen historisch gewachsenen Raum mit eigener, spezifischer Geschichte handelt: was heute ein Grenzraum ist, war früher eine zusammenhängende Region, die dann durch den Eisernen Vorhang geteilt worden ist. Durch die Mitgliedschaft Tschechiens und Österreichs in der Europäischen Union ergeben sich wieder Möglichkeiten an alte Gemeinsamkeiten anzuknüpfen und zur wirtschaftlichen sowie kulturellen Entwicklung des Raumes beizutragen. Das Kapitel 3 überprüft ähnliche Projekte in Europa auf Übertragbarkeit auf das Projekt in Gmünd- eské Velenice. Hierbei handelt sich um die Betrachtung der Zielsetzungen, der zeitlichen Entwicklung und der gewählten Ansätze zur Zusammenarbeit zweier vergleichbarer euro- 11
päischer Projekte. Betrachtet werden das Europaklinikum Braunau-Simbach (Zusammenarbeit zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland) sowie das europäische Krankenhaus in Cerdanya (Zusammenarbeit zwischen Spanien und Frankreich). Beim ersteren handelt es sich um eine über lange Zeit gewachsene Entwicklung auf Basis von einzelvertraglichen Lösungen, während für den Bau des Europäischen Krankenhauses in Spanien ein Europäischer Verbund zur territorialen Zusammenarbeit gegründet worden ist (hinfort: EVTZ). Beide Projektentwicklungen werden diskutiert und die gewählten Lösungswege auf Übertragbarkeit hin untersucht. Das folgende Kapitel 4 stellt den ausführlichsten Teil der Studie dar. Hier geht es in einem ersten Unterkapitel um die praktischen Aspekte der von den Projektpartnern diskutierten Lösungswege: (a) einzelvertraglicher Lösungen und (b) der Schaffung eines eigenen Rechtsinstruments zur Zusammenarbeit durch Einrichtung eines EVTZ. Dabei werden Verwaltungswege und organisatorische sowie zeitliche Variablen diskutiert. Darauf folgen die wirtschaftliche und rechtliche Analyse beider Lösungswege. Diese Kapitel basieren auf rechtlichen und wirtschaftlichen Gutachten, welche für die Studie in Auftrag gegeben worden sind und anhand eines ausführlichen Fragenkatalogs hinsichtlich europarechtlicher, staatsrechtlicher und betriebs- sowie arbeitsrechtlicher Aspekte erstellt worden sind. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung analysiert alle relevanten wirtschaftlichen Faktoren wie Bau- und Betriebskosten bis hin zur Leistungsstruktur einer gemeinsamen Einrichtung, welche einen ersten betriebswirtschaftlichen Rahmen für das weitere Vorgehen bei der Zusammenarbeit liefert. Das letzte Kapitel nimmt eine Gesamtbetrachtung der vorhergehenden Kapitel vor und stellt das Fazit der vorliegenden Studie dar. Aus den Analyseergebnissen werden in diesem Kapitel in einem zweiten Schritt ein optimaler Lösungsweg sowie Handlungsempfehlungen für eine zukünftige Zusammenarbeit abgeleitet und mögliche zukünftige Projektideen mit europäischer Beteiligung diskutiert. 12
2. Einordnung des Projektes in den europäischen und regionalen Kontext Um das weitere Vorgehen im Hinblick auf eine Zusammenarbeit bzw. die Planung eines gemeinsamen Gesundheitszentrums im Raum Gmünd eské Velenice zu bewerten und Lösungswege für etwaige Probleme zu entwickeln, sind in einem ersten Schritt die Rahmenbedingungen, in die sich ein solches Projekt einfügt, zu erarbeiten. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: die erste betrifft den grenzüberschreitenden Charakter des Projektes zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die zweite betrifft die regionalen historischen, geographischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse. Dieses Kapitel der Machbarkeitsstudie hat daher zur Aufgabe diese beiden Ebenen der Rahmenbedingungen zu erarbeiten und darzustellen. Es handelt sich hier um die weichen Faktoren, welche ausschlaggebend dafür sind, in wie weit andere Modelle der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit übertragbar sind (siehe hierzu Kapitel 3). Grundlage für die Bestimmung dieser Faktoren sind Sekundärliteratur als auch die Ergebnisse des Reports I. Das Kapitel ist nach folgendem Schema aufgebaut: als erstes erfolgt die Erarbeitung und Darstellung des europäischen Kontextes, in das sich das Projekt einfügt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung des europäischen Binnenmarktes und den relevanten europäischen Bestimmungen hinsichtlich der grenzüberschreitenden Behandlung von PatientInnen. In einem zweiten Abschnitt wird die regionale Ebene untersucht, wobei vor allem die Lage als Grenzregion im Fokus steht. 2.1 Einordnung in den europäischen Kontext Die Republik Österreich und die Tschechische Republik sind Mitglieder der Europäischen Union. Während bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft in den 1950er Jahren vor allem auf eine gemeinsame Wirtschafts- und Industriepolitik hingearbeitet worden ist, hat sich der europäische Binnenmarkt seit dem Vertrag von Maastricht 1992 erheblich weiterentwickelt und beeinflusst zunehmend auch die Gesundheits- und Sozialsysteme der Mitgliedstaaten. Diese Gesundheits- und Sozialsysteme wiederum sind historisch gewachsene Einheiten, welche spezifische Regelungen für die Finanzierung, den Zugang zu medizinischen Dienstleistungen und die Vermittlung verschiedener Interessen von ÄrztInnen, Leistungserbringern und PatientInnen bereithalten (Freeman 2000). Während die Rechte und Pflichten aller Beteiligten in einem solchen Gesundheits- und Sozialsystem während der letzten einhundert Jahre vor allem an nationale Territorien geknüpft waren, hat die Europäische Union zunehmend dafür gesorgt, dass z.b. erworbene Ansprüche von PatientInnen auf medizinische Leistungen ins Ausland transferiert 13
werden können. Insofern werden die nationalen Gesundheits- und Sozialsysteme zumindest teilweise vom nationalen Territorium entkoppelt (Ferrera 2006). Was den Gesundheitsbereich anbelangt, so hat die EU prinzipiell nur eine begrenzte Kompetenz. Diese Kompetenz zielt darauf ab, dass die europäische Ebene nach Artikel 168 (ehemals Artikel 152 EGV) des Vertrages von Lissabon die Maßnahmen von Mitgliedstaaten im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergänzt. Nach Hervey&McHale (2004) betreffen diese Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit vor allem das Management grenzüberschreitender Gesundheitsgefährdungen wie Präventivmaßnahmen gegen Epidemien, die Bekämpfung von Krebs, HIV und BSE. Vor allem unterstreicht der Artikel grundsätzlich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Gesundheitssysteme in Absatz 7: Bei der Tätigkeit der Union wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel. Auch wenn die EU grundsätzlich also eine nur geringe Kompetenz in Gesundheitsmaterien hat, sind weitere Bestimmungen des europäischen Binnenmarktes zu berücksichtigen, sobald ambulante und stationäre Behandlungen einen grenzüberschreitenden Charakter aufweisen. Dabei handelt es sich vor allem um die europäischen Grundfreiheiten: freier Warenverkehr, freier Personenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit (Atsiz&Kobler 2010). Da vor allem der freie Personenverkehr bereits seit Anbeginn der Europäischen Gemeinschaften eine Grundfreiheit ist, war es schon seit den 1970er Jahren nötig, durch Sekundärgesetzgebung in Formen von Verordnungen und Richtlinien, die soziale Sicherung und damit auch die medizinische Behandlung von EU-Bürgern in anderen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Die wichtigste dieser gesetzlichen Regelungen ist die sog. Verordnung 1408/71 (EG), welche neben Pensionsansprüchen und anderen Sozialleistungen auch und vor allem die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen für europäische BürgerInnen im Ausland regelt. Anfänglich waren nur sozialversicherungspflichtige Beschäftige durch die Verordnung abgedeckt. Während der letzten Jahrzehnte wurde dann der Anwendungsbereich auf die Familienangehörigen, TouristInnen, PensionistInnen und StudentInnen erweitert. Durch die zahlreichen Anpassungen war eine Überholung der Verordnung notwendig geworden. Sie wurde schließlich durch die Verordnung 883/2004 (EG) ersetzt, welche durch die Ausführungsverordnung seit 2010 in Kraft ist (Hervey&McHale 2004, Atsiz&Kobler 2010). Die Verordnung sieht verschiedene Erstattungs- und Finanzierungsformen für die Behandlung von EU-Ausländern in einem anderen Mitgliedstaat vor. Die erste Variante, welche früher E111 genannt wurde, ist heute durch die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC European Health Insurance Card) ersetzt worden. Die Verordnung garantiert EU-BürgerInnen, dass sie bei einem Notfall in einem anderen EU-Mitgliedstaat medizinisch behandelt werden. Es handelt 14
sich dabei also um nicht geplante Behandlungen im EU-Ausland, die ermöglichen sollen, dass ein Patient/eine Patientin nach der Behandlung seinen/ihren Aufenthalt fortsetzen kann bzw. dass die notwendige lebensrettende medizinische Behandlung erfolgt. Die zweite Variante ist das sogenannte E112 Verfahren. Es handelt sich hierbei um geplante Behandlungen in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Meist wird dieses Verfahren angewandt, um PatientInnen mit medizinischen Dienstleistungen zu versorgen, die im Heimatland nicht vorhanden sind oder für welche zu geringe Fallzahlen vorliegen, als dass im eigenen Land ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung stünde. Es handelt sich oftmals um medizinische Kuraufenthalte, spezielle Therapien oder seltene Krankheiten. Beispielsweise werden österreichische Babys, die an Krebs am Auge erkrankt sind, in Deutschland behandelt. Gleichzeitig bietet sich das E112 Verfahren auch für das grenzüberschreitende Angebot von Spitzenmedizin an. Bei einem E112 Verfahren genehmigt die Krankenkasse des Heimatlandes die Behandlung im EU-Ausland und erstattet die entstandenen Kosten dem anderen Mitgliedstaat, in dem die Behandlung stattfindet. Bei diesem Verfahren handelt es sich jedoch um Einzelgenehmigungen, die vorab erteilt werden und dementsprechend für den jeweiligen Patienten/die jeweilige Patientin mit administrativen Hürden und einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Genehmigung verbunden sind. Nach schriftlicher Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wurden im Jahr 2009 im Rahmen der Verordnung 1408/71 (EG) folgende Behandlungszahlen ermittelt: An die Tschechische Republik wurden 1.018.763,90 (25.084.300 CZK) für 9.528 Behandlungen an österreichischen PatientInnen in Tschechien gezahlt. Im Gegenzug zahlten tschechische Krankenkassen an die Republik Österreich 1.519.897,55 (37.424.300 CZK) für 2.889 Behandlungen an tschechischen PatientInnen in Österreich. Rechnet man die bereitgestellten Daten auf die einzelnen Fallzahlen herunter, ergibt sich eine Preisdifferenz zwischen beiden Ländern: eine Behandlung in Tschechien kostete durchschnittlich 106,92 (2.632,68 CZK), während eine Behandlung in Österreich durchschnittlich 526,09 (12.953,9 CZK), kostete. Allerdings wird hierbei nicht die Schwere der Fälle oder die Art (E111/E112) der Behandlung berücksichtigt und die sich ergebenden Zahlen können vorerst nur als Tendenz gewertet werden. Neben diesen von der EU ursprünglich geregelten E111 und E112 Behandlungsfällen, hat der Europäische Gerichtshof weitere Möglichkeiten in einer Reihe von Urteilen zur grenzüberschreitenden Patientenmobilität geschaffen bzw. die grenzüberschreitende Behandlung von PatientInnen erleichtert. Die Fälle Kohll und Decker von 1998 (C-120/95 und C-158/96) verursachten großes Aufsehen. Der Europäische Gerichtshof entschied in diesen Fällen, dass ein Bürger eines EU-Mitgliedstaates ohne vorherige Genehmigung in einem anderen Mitgliedstaat eine ambulante ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen kann. Da der Patient/die Patientin im Ausland meist in Vorleistung gehen muss, werden ihm diejenigen Kosten von der Krankenkasse des Heimatlandes erstattet, die auch im Inland bei einer Behandlung angefallen wären. 15
Gleichzeitig muss die Leistung von ÄrztInnen, die im Ausland ansässig sind, als den im Inland erbrachten Leistungen gleichwertig anerkannt werden (Mossialos&Palm 2003, Hervey&McHale 2004). Während die oben genannten Urteile den ambulanten Bereich betreffen, folgten in den letzten Jahren weitere Urteile, die den stationären Bereich betreffen. Es handelt sich um die Fälle Geraets-Smits und Peerbooms (C-157/99), Vanbraekel (C-368/98) und Watts (C-372/04). Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Behandlung von PatientInnen im Ausland im stationären Bereich das Recht haben, ein Genehmigungsverfahren beizubehalten bzw. einzuführen. Dies wird den Mitgliedstaaten gestattet, um die nationalen Gesundheitssysteme nicht in Schieflage zu bringen, da hochwertige Krankenhausbehandlungen meist einen längeren Planungsbedarf und einen erheblich höheren finanziellen Bedarf für den einzelnen Mitgliedstaat bedeuten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass PatientInnen zwar das Recht auf europaweite freie Arztwahl haben (solange dies auch im Heimatland möglich ist), diese Regelung jedoch nicht auf den stationären Bereich vollständig übertragen werden kann: die Übernahme von Kosten für stationäre Behandlungen im Ausland kann weiterhin von einer Vorabgenehmigung abhängig gemacht werden. Insofern besteht zwischen den Mitgliedstaaten kein vollständiger Systemwettbewerb, da die stationären Behandlungen einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt sind (Atsiz&Kobler 2010). Im Jahr 2008 legte die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf zur Kodifizierung der Urteile des Europäischen Gerichtshofes vor. Eine Richtlinie muss jedoch von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, wobei dem Mitgliedstaat überlassen bleibt, auf welche Art und Weise die Richtlinie umgesetzt wird. Der Richtlinienentwurf der Kommission sah vor, dass ambulante Behandlungen im Ausland in jedem Fall im Heimatland erstattet werden müssen, falls dieselbe Behandlung im Inland bezahlt worden wäre. Für stationäre Behandlungen wurde die Möglichkeit eines Vorabgenehmigungsverfahrens geschaffen. Weiterhin wurde die gegenseitige Anerkennung von Verschreibungen anderer Mitgliedstaaten in dem Richtlinienentwurf kodifiziert. Allerdings konnte sich der Rat der europäischen Gesundheitsminister unter schwedischer Ratspräsidentschaft am 01.12.2009 nicht auf diesen Richtlinienentwurf einigen. Dies lag an den verschiedenartigen Sorgen der einzelnen Mitgliedstaaten, die bereits im Konsultationsverfahren der Kommission im Vorlauf zu der Richtlinie geäußert worden waren. Viele Mitgliedstaaten fürchteten um das finanzielle Gleichgewicht ihrer Gesundheitssysteme oder um die Qualität der Behandlung im Ausland (Sindbjerg Martinsen 2007). Jedoch hat die spanische Ratspräsidentschaft einen neuen Kompromissvorschlag Anfang 2010 vorgelegt, der unter belgischer Ratspräsidentschaft weiterverhandelt wird (Dokument des Rates 9948/10). Der neue Richtlinienentwurf sieht in Artikel 9 wiederum vor, dass ein Genehmigungsverfahren für stationäre Behandlungen vom Mitgliedstaat eingeführt werden darf. Diese Vorab- 16
genehmigung darf auch für ambulante Behandlungen gelten, die besonders kostenintensiv sind oder spezialisiertes Personal und/oder hochspezieller medizinischer Geräte bedürfen. Der Mitgliedstaat soll allerdings alle Behandlungen, die einer Vorabgenehmigung bedürfen, veröffentlichen. Auch sieht der Artikel 7 weiterhin vor, dass nationale Kontaktstellen für PatientInnen geschaffen werden, welche alle notwendigen Informationen für grenzüberschreitende medizinische Behandlungen bereithalten sollen. Allerdings ist dieser Richtlinienentwurf noch in der Diskussion. Der Rat der Gesundheitsminister hat sich Anfang Juni 2010 auf den Entwurf geeinigt. Im Verlauf des Jahres muss noch das Europäische Parlament über den Entwurf entscheiden und ggf. Änderungsanträge annehmen. Danach muss wiederum eine Einigung zwischen Rat und Parlament getroffen werden. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, zeigt sich die Absicht der Mitgliedstaaten, Rechtssicherheit und Klarheit für die PatientInnen und die Akteure in den Gesundheitssystemen zu schaffen. Im Falle weiterer Änderungen am Richtlinienentwurf, scheinen sich zwei Kernpunkte herauszukristallisieren: die geplante ambulante Behandlung im EU-Ausland wird erleichtert, während für die stationäre Behandlung auf Grund der anfallenden Kosten und der Planungsnotwendigkeit weiterhin Vorabgenehmigungen bestehen bleiben. Bemerkenswert sind auch vorgesehene Anerkennungen von Verschreibungen/Rezepten in anderen Mitgliedstaaten, ein eindeutiges Haftungsrecht für Behandlungen im Ausland sowie Kriterien hinsichtlich von grundsätzlichen Qualitätsvergleichen. Allerdings ist hier das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens abzuwarten. Hinzu kommt, dass selbst bei Inkraftreten der Richtlinie, noch die Umsetzung in das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates zu erfolgen hat, was durchaus weitere Zeit in Anspruch nehmen wird. Hinzu kommt, dass die Freiheit, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer Richtlinie bei der Wahl der Rechtsmittel gelassen wird, dazu führen kann, dass es weiterhin Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der effektiven Gewährleistung der Patientenrechte geben wird. Neben den regulativen Rahmenbestimmungen, die sich für die Behandlung von EU-Patient- Innen ergeben, sind weiterhin die Anerkennung ausländischer Berufs- und Universitätsabschlüsse von Bedeutung inwieweit kann Personal aus einem anderen Mitgliedstaat im Gesundheitsbereich eingestellt werden? Das Bild ist hier weit weniger komplex als bei der Behandlung von PatientInnen. Im Bemühen, eine freie Mobilität von Beschäftigten zu garantieren, wurden bereits in den 1970er Jahren die medizinischen Berufsabschlüsse hinsichtlich ihrer gegenseitigen Anerkennung durch europäisches Recht geregelt: Die Richtlinien 75/362 EG und 75/363 EG sowie die Richtlinie 86/457 EG gewähren die europaweite Anerkennung medizinischer Ausbildungen in der EU. In Richtlinie 86/457 EG wurden weiters Minimalstandards für die Ausbildung medizinischen Personals und die Qualifikationen für die Anerkennung von medizinischen Abschlüssen festgeschrieben (Atsiz&Kobler 2010). Da es in der EU insgesamt 15 Richtlinien zur Anerkennung verschiedenster Berufe neben denen im medizinischen Bereich gab, 17
wurde die Regelung der automatischen Anerkennung sowie der Kriterien für generelle Anerkennungsverfahren für alle Berufsgruppen in einer Richtlinie konsolidiert. Die Richtline 2005/36 EG regelt damit die Anerkennung der Abschlüsse von ÄrztInnen und Krankenpflegepersonal. Allerdings werden darin auch Berufe aus dem nicht-medizinischen Bereich geregelt, wie TouristenführerInnen und ArchitektInnen. Aus dem Report I ergibt sich weiterhin, dass die Mobilität von Beschäftigten in der Region in der Praxis bis jetzt unproblematisch war (vgl. S. 26 Report I). Die beschriebene Entwicklung des europäischen Kontexts hinsichtlich der Patientenmobilität sowie hinsichtlich der Mobilität der Beschäftigten hat für die grenzüberschreitende Kooperation bzw. den Betrieb eines grenzüberschreitenden Gesundheitszentrums mit dem Angebot stationärer Behandlung verschiedene Implikationen: Hinsichtlich der Beschäftigung und Anerkennung der medizinischen Berufe zwischen beiden Staaten ergeben sich keine Probleme. Dafür bleibt das Bild bei der Behandlung ausländischer PatientInnen komplex. Nicht geplante ambulante und stationäre Behandlungen fallen weiterhin in den Regelungsbereich der ehemaligen Richtlinie 1408/71 bzw. der neue Richtlinie 883/2004 und sind damit für den Patienten/die Patientin, der/die über eine europäische Versicherungskarte (EHIC) verfügt, kostenfrei. Die geplante ambulante Behandlung z.b. von tschechischen PatientInnen in Österreich oder österreichischen PatientInnen in Tschechien stellt durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofes zumindest keine rechtliche Hürde mehr dar. Die PatientInnen können sich im jeweils anderen Mitgliedstaat behandeln lassen, danach werden ihnen die Sätze nach dem Tarif des Heimatlandes zurückerstattet. Praktisch ergibt sich allerdings ein Problem aus den Preisdifferenzen zwischen tschechischen und österreichischen ÄrztInnen: ein tschechischer Patient/eine tschechische Patientin, der/die in Österreich mehr für seine/ihre geplante Behandlung als in Tschechien bezahlt, würde nur den tschechischen Satz für ambulante Behandlungen erstattet bekommen. Im Bereich der geplanten stationären Behandlungen scheint sich auf längere Sicht keine Änderung zu ergeben: Behandlungen im stationären Bereich sind im E112 Verfahren vorab zu genehmigen. Selbst bei Inkraftreten der neuen Richtlinie bleibt den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit eines Vorabgenehmigungsverfahrens. Anzumerken ist, dass der Grenzraum keine Ausnahme von den o.g. Regelungen bildet: für grenznahe Notfälle gibt es demnach derzeit keine automatische Behandlungsmöglichkeit in einem Krankenhaus jenseits der Grenze, auch wenn dieses näher gelegen wäre als ein inländisches Krankenhaus. Für eine dauerhafte Kooperation im stationären Bereich, sei es bei der Errichtung eines Gesundheitszentrums oder der grenzübergreifenden Kooperation zwischen bestehenden Einrichtungen, reichen die bisherigen Bestimmungen zur Vereinfachung bei der Behandlung ausländischer EU-BürgerInnen nicht aus. Da bei jedem Einzelfall in einem E112 Verfahren vorab geklärt werden müsste, ob die Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgt, würde sich daraus bei jedem Patienten/jeder Patientin ein Moment der Unsicherheit ergeben, die einen dauerhaf- 18
ten grenzüberschreitenden Betrieb unmöglich macht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer dauerhaft rechtlich verbindlichen Lösung, sei es in Form eines Vertrages oder in einer anderen rechtlichen Kooperationsform. Diese hätte die Erstattung zwischen den einzelnen Leistungsanbietern (Gesundheitszentrum oder bestehende Einrichtungen) und den Krankenversicherungen auf beiden Seiten der Grenze zu regeln. Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile solcher Regelungen werden eingehend in Kapitel 4 diskutiert. Indirekt könnte, im Falle der Umsetzung der Patientenrichtlinie, eine verbesserte Informationslage der PatientInnen, auch regional Auswirkungen haben. Da der Richtlinienvorschlag vorsieht, dass die Mitgliedstaaten jeweils eine Kontaktstelle einrichten und die nötigen Informationen für grenzüberschreitende medizinische Behandlungen bereithalten, könnte sich auf lange Sicht der Informationsstand der Bevölkerung bzw. das Wissen um wohnortnahe Gesundheitsangebote verbessern. Davon würde z.b. auch ein grenzüberschreitendes Gesundheitszentrum indirekt profitieren. Allerdings ist dabei vor allem die Umsetzung der Richtlinie auf nationaler Ebene abzuwarten. 2.2 Einordnung in den regionalen Kontext Der betrachtete Raum Gmünd eské Velenice erstreckt sich über die Grenze zwischen Niederösterreich und Südböhmen und zeichnet sich durch seine Geschichtsträchtigkeit aus: nach dem Zerfall der Donaumonarchie 1918 wurde Gmünd zu einer geteilten Grenzstadt. Die Nachbargemeinde, die aus dem nördlichen Teil von Gmünd entstand, heißt seit 1922 eské Velenice. 1919 wurde der Stadtteil, in dem sich der Bahnhof befand, der Tschechoslowakischen Republik zugesprochen. Damit verlor Gmünd seinen wichtigsten Bahnanschluss und erst 1922 wurde die in Österreich verbliebene Haltestelle Gmünd Stadt zu einem Bahnhof ausgebaut. Nach dem Ergebnis der Volkszählung 2001 gab es in Gmünd 5.861 EinwohnerInnen. eské Velenice verfügt über 3.402 (2005) EinwohnerInnen. Während sich durch den Eisernen Vorhang die einst verbundenen und zusammengewachsenen Gebiete der Region zusehends voneinander entfernten, gibt es seit einigen Jahren wieder zarte Annäherungen und erste Schritte hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit und gemeinsamen Nutzung von vorhandenen Ressourcen, um die Region zu stärken. Durch den Einfluss der Europäischen Union wird Grenze nicht mehr als Trennlinie, sondern als verbindendes Element eines gemeinsamen Wirtschaftsraums wahrgenommen. Forciert wird dieses Zusammenwachsen durch einen verstärkten Tourismus. Gmünd/ eské Velenice blickt auf eine 800 jährige Geschichte zurück und weist wie viele andere Städte in der Umgebung einen sehenswerten Stadtkern auf. Über das Land verstreut liegen Dutzende Schlösser und Burgen. Die weitgehend naturbelassene Landschaft mit ausge- 19
dehnten Wäldern und unzähligen Teichen hat einen hohen Freizeitwert. Für Freizeitaktivitäten bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zum Wandern, Golfen, Reiten und Schilanglauf an: gut markierte grenzüberschreitende Wander- und Radwege sowie 2.000 Mountainbike-Kilometer, Tennisanlagen oder Golfplätze. In der Nähe der Stadt Gmünd befindet sich der Naturpark Blockheide. Eine weitere Attraktion bietet das Sole-Felsen-Bad, das über mehrere Sole- und Süßwasserbecken mit insgesamt 930 m 2 Wasserfläche verfügt. Seit der Eröffnung 2007 konnten bereits über eine Million Gäste begrüßt werden, darunter etwa 20 Prozent aus Südböhmen und der Tschechischen Republik 1. Wenige Kilometer von eské Velenice beginnt das Biosphärenschutzgebiet T ebo sko mit seinen zahlreichen, die Landschaft prägenden Teichen. Nicht weit entfernt liegt T ebo der bekannte Kurort. Weitere Heil- und Kuranstalten an der Grenze zu Niederösterreich befinden sich in Bechyne, Lednice, Hodonin, Nova Ves und Luhacovice. Die beiden Städte Gmünd/ eské Velenice sind durch einen Straßen-, einen Bahn- und einen Fußgängerübergang verbunden. Obwohl Österreich und Tschechien Länder der Europäischen Union sind und zum Schengenraum gehören, gibt es in der Region, abgesehen von den Bahnverbindungen, praktisch keinen grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehr (Mobilitätskonferenz 2009 in Vitis 2 ). Das EU-Projekt Interregionale Mobilität grenzenlos mobil fasst daher speziell den grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehr in der Region ins Auge. In Hinblick auf die geplante Öffnung des Flughafens Budweis und die Implementierung der Waldviertler Busse wird vor allem daran gearbeitet, öffentliche und alternative Verkehrsangebote zu fördern. Denn da die Verbindung Prag-Budweis-Freistadt-Linz eine deutlich höhere Verkehrsfrequenz (bis zu 40.000 PKW an einem Werktag) aufweist als die Grenzübergänge im Waldviertel (Gmünd-bis zu 3000 PKW an einem Werktag), kam es bislang durch die Landesregierungen von Niederösterreich und Südböhmen nicht zu einem Straßenausbau und zur attraktiveren Gestaltung der Zugsverbindungen. Im Rahmen des EU-Projektes werden nun, auf Basis von Analysedaten und unter Einbeziehung der Bedeutung und Funktion der Zentren bzw. touristischen Anziehungspunkte Planungen für einen möglichen öffentlichen Verkehr erarbeitet. Unterschiedliche Bedeutung haben auch die beiden etwa 12 km voneinander entfernten Schmalspurbahnen in der Region. Wird die Schmalspurbahn Jind ich v Hradec täglich für Personen- und Gütertransporte gut genutzt, so dient die Waldviertler Schmalspurbahn ausschließlich touristischen Zwecken, vor allem in den Sommermonaten und an den Adventwochenenden. Erkannt haben die beiden Nachbarländer, dass erfolgreiche Regionalentwicklung im vereinten Europa in sehr starkem Maße von Kooperation lebt und hier vor allem von Kooperationen mit Partnern in den benachbarten Grenzregionen. Daher wurden im Rahmen von INTERREG IIIA der Gemeinschaftsinitiative zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für die Programmperiode 2000-2006 mehr als 230 grenzüberschreitende Initiativen für eine positive Regionalent- 1 Telefonat Mag. Haumer, Felsen-Sole-Bad Gmünd, 20.10.2010 2 http://www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1045445 20
wicklung gesetzt. Erste Kooperations-Projekte wurden vor allem im kulturellen und touristischen Bereich gestartet. Seit dem Jahr 2006 besteht zwischen der Volkskultur Niederösterreich" und dem südböhmischen Folkloreverband Jiho eské folklorní sdru.ení" (JFoS) eine enge Kooperation. Im zurückliegenden Jahr 2009 wurden zahlreiche Projekte gemeinsam umgesetzt und so ein wichtiger Beitrag geleistet, den Menschen die traditionelle Kultur beider Länder näher zu bringen. Unter dem Titel Österreich. Tschechien. geteilt getrennt vereint fand 2009 auch die erste Niederösterreichische Landesausstellung in Kooperation mit einem Nachbarland statt. Anlass für die Landesausstellung war das 20-jährige Jubiläum des Falles des Eisernen Vorhangs, Thema die wechselhafte Geschichte unter einem gemeinsamen Landesherren zur Zeit der Donaumonarchie sowie unter jeweils eigenen Regierungen der beiden Nachbarstaaten. Durch den Zusammenschluss in der Euregio Silva Nortica3 wurde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit besonders forciert, indem im Rahmen von Projekten versucht wird, verschiedenste Lebensbereiche durch gemeinsame Strukturen und Entwicklungsstrategien zu verbinden. Das NÖ Sprach-Kompetenzzentrum unterstützt diese Entwicklungen zur Annäherung der beiden Länder mit einem eigenen Tschechisch-Lernangebot für touristische Anbieter/-innen und einem Sprachführer für die Tourismusbranche. Hinsichtlich ihrer Wirtschaftsstruktur hat die Region Gmünd/ eské Velenice eine lange Industrietradition, vor allem im Bereich der Textil- und Glasindustrie. Neben den vorherrschenden Klein- und Mittelbetrieben sind auch größere Betriebe angesiedelt: aus der Metall- und Elektroindustrie, Stärke- und Nahrungsmittelindustrie, Fertigteilhausproduktion und Softwareproduktion. Schwerpunkte des produzierenden Sektors auf tschechischer Seite bilden eine große Eisenbahnreparaturwerkstatt, Glas- und Keramikindustrie, Textilindustrie sowie Bauwirtschaft. In den Bezirken des Waldviertels und Südböhmens leben rund 400.000 EinwohnerInnen, bzw. 200.000 Arbeitskräfte, von denen zahlreiche im Gesundheits- und Kursektor tätig sind. Die Region Waldviertel verfügt über mehrere allgemeinbildende höhere Schulen, Handelsakademien, Fachschulen und höhere technische Lehranstalten. Jährlich werden rund 600 FacharbeiterInnen ausgebildet. Neben zwei Volksschulen und zwei Hauptschulen gibt es ein Bundesgymnasium/Bundesrealgymnasium, eine Handelsakademie, eine Handelsschule, eine Fachschule für wirtschaftliche Berufe sowie einen Aufbaulehrgang für wirtschaftliche Berufe. Am Landesklinikum Waldviertel Gmünd besteht die Ausbildungsmöglichkeit für den medizinischtechnischen Fachdienst. Seit 2006 wird auch ein externer Fachhochschullehrgang der Fachhochschule Krems angeboten. In den Bezirken Budweis und Neuhaus befinden sich zahlreiche Berufs- bzw. Fachschulen, sowie eine Reihe von Gymnasien und berufsbildenden höheren Schulen diverser Fachrichtungen (u.a. für Bauwesen, Maschinenbau und Handel in Budweis). In Budweis und Neuhaus selbst befinden sich darüber hinaus mehrere Fakultäten der Südböh- 3 http://www.rm-waldviertel.at/content/lang_1/249.asp 21
mischen Universität, die Fakultät für Management der Wirtschaftsfachhochschule sowie diverse Forschungsinstitute der Akademie der Wissenschaften. Ein wichtiger Schritt zum Zusammenwachsen der Region war 1993 die Errichtung des Access Industrial Park Gmünd- eské Velenice 4 : an der Grenze der beiden Städte in einer zollfreien Zone wurde dieser Wirtschaftspark errichtet, als erster Wirtschaftsstandort, der die Verbindung spezifischer Vorteile unterschiedlicher Wirtschaftsregionen an einem Standort nutzt. Der Wirtschaftspark bietet Zugang zu zwei Arbeits-, Beschaffungs- und Absatzmärkten, Möglichkeiten grenzüberschreitender Fertigung mit vereinfachter Abwicklung, ein Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften sowie die zentrale Lage im Wachstumsdreieck Wien Prag München. Auf einer Fläche von 83 ha (33 ha auf österreichischer und 50 ha auf tschechischer Seite) bietet der Wirtschaftspark hochwertige Betriebsgrundstücke mit modernster Infrastruktur nach höchsten Standards (inkl. eigenem Bahnanschlussgleis und Fernwärmenetz seit 2006). Darüber hinaus wird ein umfassendes Angebot an Service- und Betreuungsleistungen im räumlich integrierten Gründer- und Beratungszentrum zur Verfügung gestellt. 1990/91 wurde durch ein bilaterales Abkommen zwischen der Republik Österreich und der damaligen Tschechoslowakischen Republik die Grundlage zur Schaffung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsparks gelegt. Mitte der 1990-er Jahre kam es zur ersten Ansiedlung von Betrieben, wobei auch Betriebe aus anderen europäischen Ländern die Vorteile des Wirtschaftsparks nutzen. Das angeschlossene Gründer- und Beratungszentrum Gmünd widmet sich der schrittweisen Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur durch die Stimulierung und Unterstützung der Unternehmensgründertätigkeit (Finanzierungs- und Förderungsberatung, Übersetzer- und Rechtsberatung, Marketing, etc.). Es stehen vom 25 m Büro bis zur 500 m Produktionshalle insgesamt 1.800 m vermietbarer Fläche sowie Veranstaltungsräume zur Verfügung. Das Zusammenwachsen der Region im Großraum Gmünd- eské Velenice im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich und der zunehmende Tourismus legen eine Kooperation im Gesundheitsbereich ebenfalls nahe. Vor allem der Wunsch der regionalen niederösterreichischen und südböhmischen Bevölkerung nach einer nahe gelegenen Geburtenstation besteht, ebenso wie die Notwendigkeit einer raschen, wohnortnahen Notfallversorgung. Denn besonders in Notfallsituationen, in denen eine rasche Versorgung lebensrettend sein kann, zeigt sich, dass es wichtig ist, diese Form der Zusammenarbeit zu institutionalisieren sowie rechtlich auf eine fundierte Basis zu stellen und abzusichern. Im benachbarten Südböhmen ist nämlich der nächste Ambulanzdienst mit Notarzt 17 km entfernt in Suchdol nad Lu nicí stationiert und das nächstgelegene Krankenhaus liegt 60km entfernt in eské Bud jovice. Gerade im Notfall zeigt sich, dass die Fragen der Distanz von Rettungsdienst und rascher Erstversorgung von lebensrettender Wichtigkeit sein können. Auf der 4 http://www.access.co.at/ 22
anderen Seite der Grenze liegt das Landesklinikum Gmünd (LK Gmünd), welches mit dem nächsten Ambulanzdienst nur wenige hundert Meter von eské Velenice auf der tschechischen Seite entfernt ist. Aus diesem Grund wurde bereits die Bevölkerung von eské Velenice im Jahr 1999 aktiv. In Zusammenarbeit mit der Handelsakademie Gmünd führte das LK Gmünd eine Umfrage hinsichtlich der Bekanntheit des Krankenhauses durch. Durch diese Umfrage inspiriert, gab der Bürgermeister von eské Velenice eine Machbarkeitsstudie hinsichtlich der Nutzung des LK Gmünd durch tschechische BürgerInnen in Auftrag. Die Ergebnisse der Studie wurden 2003 vorgestellt und zeigten, dass die BürgerInnen ein starkes Interesse an grenzüberschreitender Notfallversorgung hatten. Die Studie von 2003 5 ergab, dass 88% der befragten Haushalte in eské Velenice unzufrieden mit der Entfernung der nächstgelegenen Krankenhäuser waren und 91% der Haushalte die Möglichkeit, im LK Gmünd behandelt zu werden, willkommen heißen würden. Vor allem im Falle eines lebensgefährdenden Zustandes wurde eine Behandlung im LK Gmünd bevorzugt. Bereits zu diesem Zeitpunkt bestand bei einem Drittel der Befragten die Bereitschaft, bis zu 100 CZK (4,08 ) zusätzlich für eine Behandlung im LK Gmünd zu investieren. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Tschechische Republik noch kein EU-Mitglied und wendete auch noch nicht das Schengen-Abkommen an. Dies machte einen Transport von PatientInnen über die Grenze de jure und de facto unmöglich. Weiterhin stellte sich bereits damals das unterschiedliche Preisniveau für medizinische Behandlungen zwischen beiden Ländern als problematisch dar. Ein weiterer kritischer Punkt war die Sprachkompetenz: zwar gaben 67% der Haushalte an, sich umgangssprachlich auf Deutsch ausdrücken zu können, doch wurde angezweifelt, dass im Falle einer medizinischen Behandlung alle nötigen Informationen komplett verstanden würden. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union 2004 und zum Schengen Abkommen 2008 eröffnen jetzt neue Perspektiven zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Durch die veränderte Situation im Grenzraum und die andauernde politische Unterstützung der niederösterreichischen Behörden, wurde entschieden, dass eine weitere Initative zur grenzüberschreitenden Kooperation zwischen niederösterreichischen und südböhmischen Leistungsanbietern ins Leben gerufen wird. Denn auch österreichische PatientInnen können von dieser Zusammenarbeit profitieren, wenn die Entfernung zur nächsten Behandlungseinrichtung durch die grenzüberschreitende Kooperation reduziert wird. So hat Jind ich v Hradec zum Beispiel ein modernes Dialysezentrum, das leicht von PatientInnen aus Gmünd erreicht werden kann. Weiterhin gibt es ein großes Angebot an Rehabilitationseinrichtungen und Kuranstalten in der tschechischen Republik, das von PatientInnen aus Niederösterreich genutzt werden könnte. Der Austausch von PatientInnen wäre daher von großem Vorteil für die örtliche Bevölkerung und die Leistungsanbieter auf beiden Seiten der Grenze. Vor allem bei der Notfallversorgung ist 5 Abschließender Bericht von Ing. Jaromir Slíva und Petra Zimmelová, 2003 23